Warum Sie Nicht Zur Roller Wohnzimmer Couch Gehen Sollten
Das Münchfeld ist eigentlich als ruhige Gegend bekannt. Die Mainzer Clubs mit ihren wummernden Bässen sind Kilometer weit entfernt, das Verkehrsaufkommen ist vergleichsweise gering und auch die Mainzelbahn bringt anderswo die Häuser zum Wackeln. Die perfekte Voraussetzung also, um ausreichend Schlaf zu bekommen. Seit einiger Zeit aber wird die Nachtruhe zwischen Hegelstraße und Im Münchfeld gestört. „Was piept im Münchfeld jede Nacht seit Wochen extrem laut?“ fragt Münchfeld-Anwohnerin Selma in ihrem Snip.

Auf Nachfrage erzählt sie, dass ihr das Piepen zum ersten Mal vor etwa drei bis vier Wochen aufgefallen sei. „Ich kann es leider nicht genau sagen, da ich anfangs dachte, mein Kater macht diese Geräusche“, so Selma. Seitdem höre sie das Piepen in nahezu jeder Nacht. Es beginne gegen 21 Uhr, wenn es dunkel wird, und höre erst am Morgen wieder auf. Und das in enormer Lautstärke: „Ich höre die Geräusche auch bei geschlossenem Fenster.“
Und damit ist Selma nicht allein. Münchfeld-Anwohnerin Jasmina erzählt gegenüber Merkurist, dass sie das Fiepen seit ein bis zwei Wochen ebenfalls jede Nacht höre. Ihr kommt es so vor, als sitze ein Tier „direkt vor meinem Fenster in einem Baum“.

Ähnlich geht es Anwohner Stefan. „Ich mache immer alles zu, wenn es los geht.“ Scherzhaft sagt er: „Wie oft ich dem Vieh schon den Hals umdrehen wollte.“ Die Geräusche hat er sogar aufgenommen:

Doch was für ein Vieh ist es denn nun? Als wir die Aufnahme Rainer Michalski von der NABU-Regionalstelle Rheinhessen-Nahe zeigen, weiß der sofort: „Das sind junge Waldohreulen. Ihr Fiepen hat den unverwechselbaren Klang einer rostigen Schaukel.“ Die Waldohreule sei ein typischer Siedlungsvogel, der in mehreren Mainzer Stadtteilen immer mal wieder gemeldet werde. In einem der hohen Münchfeld-Bäume müsse sich derzeit ein Nest befinden, aus dem kürzlich Junge geschlüpft sind. Ein Nest übrigens, das die Waldohreulen nicht selbst gebaut haben. „Sie setzen sich in alte Elster- oder Krähennester.“ Wenn die Jungen größer werden, verließen sie das Nest und machten ihre ersten Schritte auf den Bäumen. „Fliegen können sie nach drei, vier Wochen noch nicht, das Gefieder ist noch nicht komplett ausgebildet.“
Aber warum nun das laute Fiepen? „Zu ihrem Schutz verteilen sie sich auf den Bäumen. Würden sie auf einem Haufen bleiben, wären sie eine leichte Beute“, sagt Michalski. Selbst jagen können die Jungen allerdings noch nicht, deshalb müssen sie sich bemerkbar machen. „Das Geräusch gilt also den Eltern, die sie füttern sollen – und geht die ganze Nacht hindurch.“ Auch wenn der ein oder andere Bewohner dabei Mordgedanken entwickeln sollte, umsetzen darf er sie nicht. Michalski sagt: „Die Waldohreule ist ein geschützter Vogel.“ Müssen sich die Münchfeld-Bewohner also einfach mit der Situation abfinden?

„Sie sehen aus wie ein verärgerter Teddybär.“ – Rainer Michalski vom NABU
Michalski gibt Entwarnung. „Wenn das Fiepen schon drei, vier Wochen lang andauert, geht es höchstens noch zwei Wochen so weiter.“ Dann nämlich werden die jungen Waldohreulen flügge. Zunächst gehen sie zusammen mit ihren Eltern auf Jagd, bald darauf jagen sie allein. Für die Anwohner, denen sie jetzt noch den Schlaf rauben, werden sie dann sogar nützlich: „Sie jagen vor allem Mäuse und Ratten“, so Michalski. Außerdem: Die jungen Eulen mögen zwar penetrante Laute von sich geben, wer sie aber einmal zu Gesicht bekommt, wird sofort entschädigt. „Sie sehen aus wie ein verärgerter Teddybär“, so Michalski, „ganz viele Leute finden sie unheimlich süß.“

Besonders oft dürfte man sie allerdings nicht entdecken: Die Eulen setzen sich meistens so auf den Baum, dass sie nicht gesehen werden können. Gelegentlich kommt es laut Michalski aber vor, dass sie bei ihren ersten Gehversuchen auf dem Boden landen. „Dann sollte man sie am besten in Ruhe lassen, da sie mit ihrem Schnabel und den spitzen Krallen von selbst wieder hochklettern können.“ Aufhelfen solle man den jungen Eulen nur, wenn unmittelbare Gefahr drohe, etwa durch einen Hund oder eine Katze. In seltenen Fällen können die Eulen auch näher kommen, als man es sich vielleicht wünscht. „Waldohreulen sind sehr neugierig. Es ist schon vorgekommen, dass sie über den Balkon ins Wohnzimmer klettern“, so Michalski. „Dann sitzen sie auch schon mal auf dem Sofa.“ roller wohnzimmer couch